texte von klaus roth münchen



als wir
arm in arm
durch die
gassen gingen
war rom
sehr ewig







den anfang der zeit
im alten uhrwerk
nicht ergründet
das ende der welt
hinter dem märchenwald
nicht gefunden
unbeirrt
suche ich weiter
hilfreiche tiere
stehen mir zur seite







grünspantage
am rande des regens
subtile veränderungen
im atmosphärischen
unsere maulwurfsherzen pochen
in unterirdischen nächten







zerrissene wolken
über dem schweigen der felder
dann und wann schwarze vogellaute
kein zug fährt auf der bahnlinie
zwei gehen hand in hand
in den abend hinein







werktags in der mittagszeit
steht einer mit zigarette
und bierflasche am bahndamm
und schaut vor sich hin
wie ein philosoph
der anfang und ende der welt
ergründet hat
wenn die friedhofsuhr
zweimal schlägt kehrt er zurück
in seinen alltag
vielleicht geht er
in die fabrik
vielleicht geht er
nach hause
vielleicht verzieht er
unbekannt







schritte vorwärts
schritte seitwärts
schritte querfeldein
die landschaften liegen im koma
perspektivische verzerrungen
oberleitungen vögel wolken
fluchtpunkte hinter dem horizont
wolfskinder lächeln uns an







blaue tage

die vögel beachten uns nicht
die musik geht durch uns hindurch
unsere gedanken entschweben
niemand wird unsere tagebücher lesen







zusammengeknüllte zettel
in meiner hosentasche
botschaften
aus einer anderen welt
die luft
schmeckt nach regen
und abend
die juniblüten dösen
ganz hinten in deiner stimme
klingt etwas sehr poetisches an







eine münze werfen
einen abzählreim sprechen
der wetterhahn
dreht sich im wind
immer andere
notwendigkeiten
und der glaube
an das unmögliche







das schicksalsrad dreht sich
doch ich glaube noch immer
an die rückkehr der zugvögel







wir
argonauten
unbekannter meere
stark im glauben
an den nordstern
in unseren herzen







der alltag
spiegelt sich
in den schaufenstern
und in den pfützen
eine fee
schwebt vorüber
ein kind
findet einen zauberring
so geht alles seinen gang







als kind
hatte ich
einen kleinen vogel
aus holz
wenn ich
an der schnur zog
schlug er
mit den flügeln
wenn ich
ganz schnell zog
flog er davon
und nahm mich mit







fundament eines tages

möwenflug
das knarren einer tür
der schlagende fensterladen
ein vogelnest über der kellertreppe
der geschmack des meeres auf den lippen







herbststunden

und wieder kriecht der nebel
über die länder äcker dörfer
und durch die seelen
und wieder zögert
die kompaßnadel
und wieder wirfst du eine münze
um den willen der götter zu erforschen







auf dem land

das stolze weiß der birken
das stolze schwarz der krähen
ein verlassenes haus grau in grau
auf dem fensterbrett träumt
eine puppe mit glänzenden augen
der nacht entgegen







irgendwo im großen nirgendwo der nacht
sitzen wir beide auf einem fensterbrett
du rauchst eine zigarette
ich lese dir ein gedicht vor
später dann erste annäherungen
an unsere nacktheit
wir erkunden die geographie
unserer liebenden körper
und erlernen die sieben sprachen der nacht







nach einigen jahren
war auf den tonbändern
mit unseren gesprächen
nur noch das schweigen zu hören







jeden tag
finde ich
auf meiner schwelle
anonyme briefe
mit botschaften
in toten sprachen
auch heute
lasse ich sie
ungelesen







komm
laß uns
in gemeinsamen träumen
versunkene städte aufsuchen
und an sonnigen nachmittagen
in den gärten vergessener paläste
arm in arm flanieren







eine undatierte fotographie

im gegenlicht kahles geäst
du und ich hand in hand
ein endloser schienenstrang
führt uns mitten in die zukunft







brösel auf dem tischtuch
stenogramme
des vergangenen
tränensalz
auf verästelten lebenslinien
dort die kindertasse
mit dem sprung
und drei namenlose tage
im taschenkalender







ein abend im mai

unwetterwolken ziehen
über die fliedergärten
wir beide schleichen
berauscht vom duft
hand in hand durch die gärten

in der ferne ein erster blitz







immer im hause
ein notvorrat an
kerzen salz trockenbrot
wein hoffnung sehnsucht
und der glaube
an die magie der poetischen worte







glücksformel


ix plus ypsilon plus zet
in jener gleichung
zwischen tag und nacht

doch grau ist alle theorie

komm
laß uns
das leben
und die liebe feiern







gegen mitternacht
glimmen die katzenaugen
mein großvater
berechnet die anfänge
des sonnensystems
im hinterhaus
stöhnen die liebenden







kontaktaufnahme

ich wage einen blick
durchs monokel
und entdecke
an der hauswand
das anagramm
deines namens







im schlaf
hat dein schweigen
viele farben
unmerklich
verschieben sich
die kontinente der nacht







zwischen den schatten
der passanten
risse in den mauern
im straßencafé
deuten sich
entblößungen an
ein flaneur in trance
verkündet die weltformel






Mein hier veröffentlichtes Textmaterial unterliegt dem Urheberrecht und anderen Gesetzen zum Schutz des geistigen Eigentums. Eine Verwendung dieses Textmaterials in elektronischen oder gedruckten Publikationen ist ohne die ausdrückliche Zustimmung des Autors nicht gestattet.

© Klaus Roth, Thalkirchner Str. 67, 80337 München